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Was ich im letzten Jahr gelernt habe

2015 ist fast zu Ende, und ich muss zugeben, ich bin nicht allzu traurig darüber. Für mich war es eigentlich – jedenfalls wenn man es rein objektiv betrachtet – kein gutes Jahr. Das Erdbeben, die Blockade, der Winter in Nepal, alles Erlebnisse die ich nicht nochmal haben muss.

 

Im Moment denke ich häufig zurück an Silvester 2014. Vor einem Jahr um diese Zeit war ich voll von ambitionierten Plänen, dachte ich weiß genau wie das Jahr ablaufen wird und werde – vor allem beruflich – unglaublich viel erreichen. Wenn ich jetzt überlege, was ich davon geschafft habe, muss ich leider sagen: Fast gar nichts. Meine Pläne mit unserem Restaurant, der Fischfarm, den Gasträumen usw. haben sich am 25.4. buchstäblich in Staub aufgelöst, wir haben fast alles verloren, in das wir die letzten Jahre viel Geld, Arbeit und Energie gesteckt haben. Aber wenn ich dann weiter überlege: „Geht es mir jetzt schlechter als letztes Jahr?“, dann ist die Antwort eindeutig „Nein“. Ich glaube, ich habe im letzten Jahr einiges gelernt, was mir geholfen hat, die Erfahrungen zu verdauen und einzuordnen.

 

Ich habe gelernt, dankbar zu sein. Ich weiß, vor allem im Moment liest man überall, man soll sich einfach mal klar machen, wie gut man es hat und dann geht es einem selbst schon direkt wieder besser. Ich glaube, im Alltag ist sowas sehr schwer, aber dieses Jahr habe ich eben unglaublich viel, für das ich dankbar sein kann. Wir haben überlebt. Alle Menschen, die mir wichtig sind haben das Erdbeben überlebt, und das ist eigentlich schon das Wichtigste. Wäre das Timing ein bisschen anders gewesen, wäre Tilak ein bisschen schneller gefahren, hätte alles schon ganz anders aussehen können. Daher bin ich unglaublich dankbar, dass die Dinge so sind wie sie sind. Besitz kann man ersetzen, Menschen aber nicht, und meine Menschen sind alle noch bei mir!

 

Ich habe gelernt, was wichtig ist! Natürlich wusste ich auch vorher, dass Miriam die wichtigste Person in meinem Leben ist, aber manchmal schafft man es ja nicht, den Personen das auch immer genügend zu zeigen. Die absolute Panik die mich wirklich wie eine Welle überschwemmt und beherrscht hat in den 20 Minuten, in denen ich nicht wusste wo Miriam war, werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen.

 

Ich habe gelernt (und lerne immer noch), mich auf das Positive zu konzentrieren. Im Laufe des letzten Jahres sind so viele schlimme Dinge passiert, und auch auf der persönlichen Ebene sind so viele Begegnungen schlecht und unbefriedigend gelaufen. An manchem Punkten hatte ich das Gefühl, ich könnte den Glauben an die Menschheit verlieren. Gleichzeitig habe ich aber auch so viel Positives gesehen. Menschen, die geholfen haben, ohne an sich und an ein Morgen zu denken. Menschen, die alles was sie hatten geteilt haben und unermüdlich arbeiten, damit es anderen besser geht. Und Menschen, die immer für mich da waren und mich und uns unterstützt haben. Und darauf werde ich mich konzentrieren. Diejenigen, die mich enttäuscht haben werden sich ja nicht ändern, wenn ich mich ärgere, aber mit einer positiven Einstellung kann ich denjenigen etwas zurückgeben, die für mich da waren.

 

Ich habe gelernt zu akzeptieren, was ich akzeptieren muss. Manche Dinge (wie zum Beispiel ein Erdbeben) kann man eben nicht ändern, und wenn man versucht dagegen anzukämpfen reibt man sich nur auf. Lange Zeit war das meine Herangehensweise ans Leben (jedenfalls zu großen Teilen), und das ist unglaublich anstrengend. Ich hab mich jetzt bestimmt nicht von Grund auf geändert, aber mit vielen Punkten hadere ich jetzt weniger. Natürlich ist es schlimm, was im letzten Jahr passiert ist, aber es wird ja nicht besser, wenn ich mich schlecht fühle. Was ich ändern und beeinflussen kann, ist meine Reaktion und meine eigene Verhaltensweise, und die ist umso besser, je besser es mir geht.

 

Ich habe gelernt, dass wir unglaublich stark sind! In einer Situation, in der alles um uns herum – im wahrsten Sinne des Wortes – zusammengebrochen ist, sind wir nicht gebrochen. Nach einem Tag des Sammelns haben wir angefangen zu arbeiten, auch Miriam hat mitgeholfen und mich mit allem was ging unterstützt. Wir haben nach dem Erdbeben unglaublich viel geschafft und es durch unseren Einsatz für 300 Familien etwas erträglicher gemacht! Und darauf bin ich stolz. Gleichzeitig habe ich auch meine Promotion voran getrieben und bin jetzt an dem Punkt, an dem ich auch ohne Erdbeben hätte sein wollen. Und trotzdem fühle ich mich nicht total und absolut verausgabt und habe das Gefühl, wir können das neue Jahr genauso energievoll angehen.

 

Das letzte Jahr war also sehr lehrreich für mich. Von meinen großen Plänen vom Jahresanfang konnte ich allerdings wenig umsetzen. Dafür sind viele neue Dinge hinzugekommen, mit denen ich niemals so gerechnet hätte. Daher habe ich mir vorgenommen, mit nicht mehr so viel vorzunehmen. Wer weiß, was passiert und meine Pläne über den Haufen wirft, da gehe ich doch lieber in kleinen Schritten, die ich auch überblicken kann. Was natürlich nicht heißt, dass auch großes passieren kann :-).

 

Miriams Vorsätze für das neue Jahr sind auch sehr überblickbar: Schwimmen lernen, schreiben lernen, weniger streiten. An dem letzten müssen wir wohl beide am meisten arbeiten… Wir freuen uns jedenfalls auf 2016 und sind uns sicher, es wird wieder genauso voll mit Abenteuern, Reisen, schönen Momenten und Herausforderungen. Nur bitte ohne Erdbeben diesmal :-).

 

Happy New Year!!!

 

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